Wegweisendes (Grundsatz)Urteil des OLG Oldenburg gegen die DLM Deutsche Leuchtmittel GmbH (heute: Novalumen GmbH)
Zum Hintergrund: Bei dem Mietkunden Firma H. sind insgesamt 99 Leuchten verbaut. Von diesen 99 Leuchten stehen 95 Leuchten im Eigentum von zwei Direktinvestoren. Eine davon ist Frau K., bzw. die Erbengemeinschaft L. Es gibt Fotos, die bei dem Mietkunden Firma H. aufgenommen wurden und auf denen man die Seriennummern der Leuchten erkennen kann, die Frau K., bzw. der Erbengemeinschaft L. zuzuordnen sind. Diese Leuchten wurden der Firma H. von der DLM Deutsche Leuchtmittel GmbH und deren Geschäftsführer, Herrn Frank Günther, zum Kauf angeboten, ohne, dass die Eigentümer diesem zugestimmt hätten.
In dem von Herrn Frank Günther unterzeichneten Kaufangebot heißt es an den Mietkunden Firma H. gerichtet:
„Alternativ bieten wir Ihnen an, dass Sie die installierten Leuchten des Mietvertrages (MV00XXXX) erwerben.
Als Kaufpreis bieten wir Ihnen 29.322,54 € zzgl. der gesetzlich gültigen MwSt. an.“
Die Eigentümerin der Leuchten, Frau Direktinvestorin K. wollte daher vor dem Landgericht Oldenburg eine einstweilige Verfügung gegen die DLM Deutsche Leuchtmittel GmbH erwirken. Das Landgericht wies dies als unbegründet zurück. Frau K. rief jedoch das nächsthöhere Gericht, das Oberlandesgericht Oldenburg (OLG) dazu an und ging in Berufung. Hier nun das Urteil des OLG Oldenburg (einige Namen und Details unkenntlich gemacht):
Im Namen des Volkes
Urteil
Verkündet am 07.02.2023
In dem Rechtsstreit
Frau K.,
Verfügungsklägerin und Berufungsklägerin,
gegen
DLM Deutsche Leuchtmittel GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer Frank Günther, Theodor-Heuss-Straße 14, 26209 Hatten,
Verfügungsbeklagte und Berufungsbeklagte,
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht (...), den Richter am Oberlandesgericht (...) und den Richter am Oberlandesgericht (...) auf die mündliche Verhandlung vom 31.1.2023 für Recht erkannt:
I. Auf die Berufung der Verfügungsklägerin wird das am 13.1.2023 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2 Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg geändert und
1. die Verfügungsbeklagte verurteilt, es zu unterlassen, die im Eigentum der Erbengemeinschaft nach L., diese bestehend aus der Verfügungsklägerin (XX%) sowie ihren Brüdern (...) (jeweils XX%), befindlichen Leuchten des Produkttyps „LED Lichtband concept light (II)“ mit den Seriennummern LB00XXXXX bis LB00XXXXX Dritten gegenüber zum Verkauf anzubieten sowie
2. der Verfügungsbeklagten angedroht, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die in Ziffer 1. ausgesprochene Verpflichtung ein vom Gericht festzulegendes Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00 € verhängt werden kann, und dass für den Fall, dass dies nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten festgesetzt werden kann.
II. Die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens trägt die Beklagte.
I.
Von der Darstellung des Sachverhalts wird abgesehen, weil die Entscheidung nicht anfechtbar ist, § 542 Abs. 2 S. 1 ZPO.
II.
Die zulässige Berufung ist begründet. Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist begründet. Die Verfügungsklägerin hat sowohl einen Verfügungsanspruch als auch einen Verfügungsgrund gem. §§ 935, 940, 920 Abs. 2, 924 Abs. 1 ZPO glaubhaft gemacht. In diesem Zusammenhang war ein Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft, anzudrohen.
1. a) Der erforderliche Verfügungsanspruch folgt aus § 1004 Abs. 1 BGB.
Berühmt sich eine Person, die tatsächlich nicht Eigentümer einer Sache ist, des Eigentums an dieser, kann der Eigentümer derartige die dingliche Rechtslage falsch darstellende Äußerungen verbieten lassen, die gegenüber Dritten fallen, weil er dadurch nicht nur unmittelbar in seiner Eigentümerstellung betroffen ist, sondern die Beeinträchtigung tatsächlich nicht anders als durch eine Unterlassungsklage verhindern kann (vgl. BGH NJW 2006, 689, 690).
Vorliegend hat sich die Verfügungsbeklagte eindeutig des Eigentums an den streitgegenständlichen Leuchten berühmt, das der Verfügungsklägerin bzw. der Erbengemeinschaft zusteht. Die Verfügungsbeklagte erklärte am 17.11.2022 schriftlich gegenüber der Mieterin der Leuchten die Bereitschaft, ihr sämtliche Leuchten, die Gegenstand des Mietvertrages waren, zu verkaufen. Teile dieser Leuchten standen unstreitig im Eigentum der Verfügungsklägerin bzw. der Erbengemeinschaft. Demgegenüber ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang des Schreibens vom 17.11.2022 eindeutig, dass die Verfügungsbeklagte gegenüber der Mieterin suggerierte, sie führe das Geschäft der Deutsche Lichtmiete Gruppe uneingeschränkt – mithin auch den ihr ausdrücklich nicht übertragenen Geschäftsbereich der Leuchtmittel, die im Eigentum der Direktinvestoren stehen – fort. Damit hat die Verfügungsbeklagte sich gegenüber der Mieterin wie eine Eigentümerin auch dieser Leuchten geriert und sich auf diese Weise des Eigentums der Verfügungsklägerin berühmt sowie den Eindruck erweckt, dieses verkaufen sowie übereignen zu wollen und zu können. Das ist für den Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB ausreichend. Auf eine nähere Auslegung des verbindlichen Angebotscharakters des Schreibens vom 17.11.2022 kam es nicht an.
Es besteht zudem die zum Anspruchsgrund gehörende Wiederholungsgefahr. Die damit angesprochene objektiv ernstliche Besorgnis weiterer Störungen wird zu Gunsten der Verfügungsklägerin wegen der einmalig erfolgten rechtswidrigen Beeinträchtigung tatsächlich vermutet (vgl. BGH NJW 2012, 3781). An die Widerlegung dieser tatsächlichen Vermutung sind hohe Anforderungen zu stellen (vgl. BGH NJW 1999, 356).
Vorliegend ist der Verfügungsbeklagten die Erschütterung der tatsächlichen Vermutung nicht gelungen. Die Verfügungsbeklagte hat demgegenüber gemeint, die fehlende Wiederholungsgefahr ergäbe sich aus den Umständen. Diese bestünden darin, dass der Insolvenzverwalter mittlerweile den Nichteintritt in den Mietvertrag mit der Mieterin erklärt hat, und darin, dass die Verfügungsbeklagte der Mieterin am 26.1.2023 mitteilte, dass sie nicht Eigentümerin der Leuchten der Verfügungsklägerin ist. Dass sie die Leuchten weiteren Dritten anbiete, sei vor diesem Hintergrund abwegig. Dies hält der Senat angesichts der hohen Anforderungen zur Widerlegung der tatsächlichen Vermutung der Wiederholungsgefahr nicht für ausreichend. Insoweit war zu berücksichtigen, dass die Verfügungsbeklagte sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat – aus Sorge vor negativer Presseberichterstattung – sogar geweigert hat, eine für die Widerlegung der Wiederholungsgefahr nicht einmal ausreichende Unterlassungserklärung ohne Strafbewehrung (vgl. BGH NJW 2012, 3781) abzugeben. Demgegenüber steht fest, dass der Geschäftsführer Günther der Verfügungsbeklagten im Rahmen von Parallelverfahren entgegen vorangegangener abweichender Angaben einräumen musste, einzelnen Mietkunden den Erwerb von Leuchten angeboten zu haben, obwohl diese im Eigentum von sog. Direktinvestoren standen. Das allein reicht aus, die tatsächliche Vermutung trotz der weiter vorgetragenen Umstände als nicht widerlegt anzusehen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob hinter dem Verhalten der Verfügungsbeklagten lediglich die Unübersichtlichkeit der Geschäftssituation, oder wie die Verfügungsklägerin meint, ein strafrechtlich relevantes Verhalten steht. Genausowenig ist von Relevanz, dass die Angebote zum Kauf bislang lediglich an die Mieter der Leuchten erfolgten.
b) Überdies steht der gem. §§ 935, 940 ZPO notwendige Verfügungsgrund für den Senat außer Frage. Es droht ein unumkehrbarer Rechtsverlust, sofern ein Dritter gutgläubig Eigentum an den Leuchten erlangt. Dass die Mieterin mittlerweile bösgläubig ist, ändert daran nichts, weil auch weitere Dritte auftreten könnten.
2. Der Senat hat bei der Tenorierung von seiner aus § 938 Abs. 1 ZPO folgenden Befugnis Gebrauch gemacht, die sich bei der Kostenentscheidung, die auf § 91 ZPO beruht, nicht auswirkt.
3. Eines Ausspruches zur vorläufigen Vollstreckbarkeit bedurfte es nicht, weil das vorliegende Urteil als zweitinstanzliche Entscheidung im Verfahren der einstweiligen Verfügung keinem Rechtsmittel mehr unterliegt (§ 542 Abs. 2 S. 1 ZPO) und ohne besonderen Ausspruch endgültig vollstreckbar ist.
4. Der Schriftsatz der Verfügungsbeklagten vom 31.01.2023, der nach der mündlichen Verhandlung einging, lag dem Senat vor und bot keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.